FüPoG II - Die Geschlechterquote im Vorstand
July 27, 2022, Covington Alert
Ab dem 1. August 2022 greifen die Neuregelungen des Zweiten Führungspositionengesetzes, kurz FüPoG II (Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst; abrufbar hier). Jede Bestellung von Vorstandsmitgliedern muss ab dem 1. August 2022 die Geschlechterquote erfüllen.
Bereits die Vorgängerregelung, das Erste Führungspositionengesetz („Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“), kurz FüPoG I, führte eine solche Quote für Aufsichtsräte ein. Die Absichten des FüPoG I haben sich zwar weitgehend erfüllt, dennoch sah der Gesetzgeber, gerade in den Bereichen, in denen auf Freiwilligkeit gesetzt wurde, noch Handlungsbedarf.
What you need to know
Das FüPoG I
Bereits 2015 trat das FüPoG I in Kraft. Es legte zum einen eine fixe Quote von mindestens 30% beider Geschlechter für Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Unternehmen fest. Freiwerdende Posten sind seither mit dem unterrepräsentierten Geschlecht zu besetzen. Bei börsennotierten oder paritätisch mitbestimmten Unternehmen sind außerdem flexible Quoten, sogenannte Zielgrößen, von Frauen in Aufsichtsräten, Geschäftsführungsorganen und den oberen beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung festzulegen. Sanktionen bei Verfehlung der festgelegten Zielgröße sieht das Gesetz nicht vor. Daher ist die Festlegung der Zielgröße „Null“ in der Praxis leider keine Seltenheit.
Das FüPoG II
Mindestbeteiligung von Frauen und Männern
Die Bundesregierung hat mittlerweile das FüPoG II beschlossen, das am 12. August 2021 in Kraft getreten ist, und das FüPoG I ergänzt. Das FüPoG II konzentriert sich auf Vorstände: Börsennotierte Unternehmen, die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen, also mehr als 2000 Beschäftigte haben, müssen in ihren Vorstands- und Verwaltungsratsgremien mit mehr als drei Mitgliedern je eine Stelle mit einer Frau und eine mit einem Mann besetzten. Diese Regelung gilt für die Aktiengesellschaft (AG) sowie für die Europäische Gesellschaft (SE) (§ 76 Abs. 3a AktG). Die Mindestbeteiligung ist für Neubestellungen ab dem 1. August 2022 zu beachten. Eine Bestellung entgegen dieser „Besetzungsregel“ ist nichtig.
Angabe des Frauenanteils
Zu der bereits geltenden Angabe hinsichtlich flexibler Zielgrößen aus dem FüPoG I für den Frauenanteil in Führungspositionen und der Angabe zur Einhaltung der fixen Geschlechterquote im Aufsichtsrat treten weitere Pflichten für die betroffenen Unternehmen: Börsennotierte oder paritätisch mitbestimmte Aktiengesellschaften müssen für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands (§ 76 Abs. 4 AktG) und mitbestimmte GmbHs müssen für die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführung (§ 36 S. 2 GmbHG) Zielgrößen für den Frauenanteil veröffentlichen. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil an der jeweiligen Führungsebene beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen.
Begründungspflicht der Zielgröße „Null“
Planen Unternehmen, keine Frau auf einer der Führungsebenen einzustellen, müssen sie die Festlegung dieser Zielgröße „Null“ begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen (§ 76 Abs. 4 S. 4 AktG). Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30%, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Unternehmen müssen außerdem die Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festlegen. Diese dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Gesellschaften, die keine Zielgröße oder die Zielgröße „Null“ unbegründet festlegen, können hierfür nach § 334 HGB sanktioniert (Verstoß gegen 289f HGB) werden. Diese Regelungen gelten für Aufsichtsräte und Geschäftsleitungen (bei der GmbH) bzw. Vorstände (bei der AG) sowie die beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung bzw. des Vorstands.
Bei Verletzung der Berichtspflicht oder der Begründungspflicht drohen Bußgelder von bis zu 10 Millionen Euro oder von 5% des gesamten Jahresumsatzes. Es geht daher um erhebliche Summen für die betroffenen Unternehmen.
Änderungen bei der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB)
Für die Unternehmen, auf die sich die Regelungen der FüPoGs beziehen, gelten im Rahmen ihrer Corporate Social Responsibility erweiterte Berichtspflichten, die sich auch auf ESG Kriterien beziehen. Die FüPoG-Gesetzgebung lässt sich als „Gender Law“ dem „S“ von ESG zuordnen. Die Angaben zur flexiblen Zielgrößen für den Frauenanteil in Führungspositionen und zur Einhaltung der fixen Geschlechterquote im Aufsichtsrat (§ 289f Abs. 2 Nr. 5 HGB) haben börsennotierte oder paritätisch mitbestimmte Gesellschaften gemäß § 289f Abs. 2 Nr. 5a, Abs. 4 HGB in ihrer Erklärung zur Unternehmensführung zu machen. Sie müssen Bericht erstatten, inwieweit sie den Vorgaben für die verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand entsprechen.
Neben diese Berichtspflicht tritt für diese Unternehmen die Pflicht zur Begründung der Festlegung der Zielgröße „Null“ für Unternehmen, die keine Frau an Bord holen (Nr. 4). Die Erweiterung der Berichtspflicht betrifft die Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten, Vorständen und den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands. Die Erweiterung ist zu begrüßen und konsistent mit der generellen Entwicklung, Frauen auf ihrem Weg in Führungspositionen zu fördern. ESG im Allgemeinen gewinnt - zu Recht - einen immer höheren Stellenwert. Es verwundert daher nicht, dass nach aktuellen Studien (z. B. von Odgers Berndtson) insbesondere die Unternehmen, die sich seit längerem ESG-Kriterien verschrieben haben, den Weg zu mehr Vielfalt im Top-Management eingeleitet haben. ESG-Kriterien werden von solchen Unternehmen aber nicht nur bei der Zusammensetzung ihres Managements angelegt, sondern immer mehr auch bei der Zusammensetzung der Teams (Diversity!) beauftragter externer Berater. Ein positiver und definitiv richtiger Trend.
Dies gilt umso mehr als auch die neuen Regelungen leider vor „Umgehungen“ nicht gefeit sind und entsprechenden Handlungsspielraum eröffnen. Von höheren Frauenquoten kann nämlich nicht automatisch auf mehr Mitbestimmungsrechte dieser Gruppe geschlossen werden. So sank erstmals 2022 die Größe von Vorstandsgremien auf durchschnittlich fünf Personen, was bei einem Unternehmen mit einer Vorständin zur Steigerung der Frauenquote von knapp 17 auf 21 Prozent führen würde. Ein entsprechender Verantwortungszuwachs ist damit aber offenkundig nicht zwangsläufig verbunden.
Daher ist auch folgende Entwicklung zu begrüßen: Die EU (der Rat und das Europäische Parlament) hat im Juni 2022 ebenfalls beschlossen, Geschlechterquoten in Führungsgremien börsennotierter Unternehmen einzuführen. Ab 2026 sollen Unternehmen verpflichtet sein, die Quoten einzuhalten. Mit 33% bzw. 40% liegt die Quote über den in Deutschland eingeführten Quoten. Mitgliedstaaten sollen bei der Umsetzung die Wahl haben: Entscheiden sich Mitgliedstaaten dafür, geschäftsführende als auch nicht geschäftsführende Leitungsorgane einzubeziehen, soll die Quote 33% betragen. Werden nur nicht geschäftsführende Leitungsorgane einbezogen, soll die Quote bei 40% liegen.
Klares Ziel ist es, das Thema der Frauenförderung in der öffentlichen Debatte stärker zu fokussieren und eine langfristige Änderung der Unternehmenskultur hin zu mehr Frauen in Führungspositionen voranzutreiben. Unternehmen sollen sich mehr für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen einsetzen.
Freiwillige Quoten, die die Unternehmen selbst festsetzen, waren nicht effektiv. Die in Deutschland 2015 eingeführte Quote in Aufsichtsräten hingegen führte zu einem Frauenanteil von nunmehr 34,9 % in DAX40 Unternehmen (Stand: 1. März 2022). Und auch die 2021 eingeführte Quote in Vorständen zeigt ihre Wirkung: Am 1. März diesen Jahres lag der Frauenanteil in DAX-Vorständen bei 14,3 % und damit so hoch wie nie zuvor (Quelle: Allbright Stiftung).
Zudem sind die Ergebnisse der 2015 eingeführten starren Quoten in Aufsichtsräten äußerst positiv: Gemischt besetzte Führungsebenen sind erfolgreicher, was durch Studien belegt ist. Aufgrund verschiedener Herangehensweisen, Arbeitskulturen und des unterschiedlichen Krisenmanagements von Männern und Frauen werden bessere Entscheidungen getroffen und Unternehmensziele besser erreicht. Damit ergibt sich eine Win-Win-Situation, was auch erwarten lässt, dass sich der richtige Trend weiter fortsetzt.
Zwar sind in Deutschland nur ca. 70 Unternehmen vom FüPoG II betroffen. Es ist aber zu hoffen, dass diese 70 großen Unternehmen Vorbildfunktion für kleinere Gesellschaften hinsichtlich der Diversität in Führungsebenen haben. Im Übrigen ist zu erwarten, dass sich die gesetzgeberischen Bemühungen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen signifikant zu steigern, in den nächsten Jahren ausweiten werden.