Änderung des Nachweisgesetzes - Was Arbeitgeber nun wissen müssen
July 21, 2022, Covington Alert
Die Bundesregierung hat am 23. Juni 2022 die europäische Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union („Arbeitsbedingungenrichtlinie“) in deutsches Recht (Nachweisgesetz – „NachwG“) umgesetzt. Das NachwG tritt am 1. August 2022 in Kraft und hat für Arbeitgeber die Folge, dass diese ihre Arbeitsverträge bis dahin anpassen müssen. Dies gilt für neue Arbeitsverträge und unter bestimmten Bedingungen auch für bereits abgeschlossene. Neu ist, dass bei einer Verletzung dieser Pflichten Bußgelder drohen. Ziel der Arbeitsbedingungenrichtlinie und des NachwG ist es, Transparenz für Arbeitnehmer hinsichtlich der für sie geltenden Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Der Gesetzgeber hat gleichzeitig Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes („AÜG“), des Teilzeit- und Befristungsgesetzes („TzBfG“) sowie der Gewerbeordnung („GewO“) beschlossen.
Bisherige Rechtslage
Bereits nach dem bisherigen Nachweisgesetz hatten Arbeitgeber die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich nachzuweisen. Hierunter fielen:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien;
- Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses;
- bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses;
- Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann;
- eine kurze Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit;
- die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit;
- die vereinbarte Arbeitszeit;
- die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs;
- die Kündigungsfristen des Arbeitsverhältnisses; sowie
- ein Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
Bei Auslandseinsätzen von Arbeitnehmern galten bereits besondere Nachweispflichten über Dauer, Währung, Arbeitsentgelt, Sachleistungen sowie die Rückkehr des Arbeitnehmers.
Das Nachweisgesetz war in der Praxis bisher nicht besonders relevant. Der Nachweis musste innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erstellt werden. Insbesondere sah das Gesetz keine Bußgelder bei Verstößen gegen Nachweispflichten vor. Arbeitnehmer hatten lediglich Anspruch auf Erfüllung der Nachweispflichten. Schadensersatzansprüche kamen nur dann in Betracht, wenn Beschäftigten aus Verstößen des Arbeitgebers gegen das Nachweisgesetz tatsächlich ein finanzieller Schaden entstand, den sie beweisen mussten.
Was ändert sich ab 1. August 2022?
Die Nachweispflichten sind erweitert und die Frist zur Erstellung der Nachweise ist drastisch verkürzt worden. Zudem drohen Arbeitgebern Bußgelder von bis zu EUR 2.000 pro Verstoß bei Verstößen gegen das Nachweisgesetz.
Leider hat der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen auch digital nachzuweisen, keinen Gebrauch gemacht, obwohl die Arbeitsbedingungenrichtlinie dies ausdrücklich vorsieht (Art. 3: „Die Informationen sind in Papierform oder — sofern die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält — in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln.“). Die Nutzung einer elektronischen Signatur ist damit weiterhin ausgeschlossen. Arbeitgeber müssen für die Erfüllung des Nachweises weiterhin die Arbeitsbedingungen auf Papier ausdrucken und diese handschriftlich unterzeichnen. Elektronische Signaturen, Scans o.ä. (z.B. Docusign) sind nicht ausreichend. Dies ist insoweit verwunderlich, als es auf Seite 15 des Koalitionsvertrages der neuen Bundesregierung vom 24. November 2021 heißt: "… Deutschland braucht einen umfassenden digitalen Aufbruch. Wir wollen das Potenzial der Digitalisierung für die Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen, für Wohlstand, Freiheit, soziale Teilhabe und Nachhaltigkeit nutzen. Dafür werden wir uns ambitionierte und überprüfbare Ziele setzen sowie realistische und schnell spürbare Maßnahmen ergreifen. Kompetenzen in der Bundesregierung werden neu geordnet und gebündelt, ein zentrales zusätzliches Digitalbudget eingeführt und Gesetze einem Digitalisierungscheck unterzogen. …“ Die damaligen Erwägungen spielten für das NachwG offenbar keine Rolle.
Im Einzelnen
1. Die Nachweispflicht wird erweitert. Die oben dargestellten Angaben sind weiterhin erforderlich und werden um den Nachweis folgender Arbeitsbedingungen erweitert:
- Bei befristeten Arbeitsverhältnissen sind das Enddatum oder die Dauer der Befristung anzugeben;
- ebenso die Dauer einer vereinbarten Probezeit;
- sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen sowie die Vergütung von Überstunden;
- die Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts und aller dazugehörigen Teile;
- ·vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen;
- ein etwaiger Anspruch auf Fortbildung;
- bei Bestehen einer betrieblichen Altersversorgung über einen Versorgungsträger der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; und
- das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis bei Kündigungen, die Kündigungsfristen (auch z.B. während der Probezeit) und die Klagefrist einer Kündigungsschutzklage.
Auch die Informationen im Falle einer Auslandstätigkeit wurden erweitert: Zusätzlich zu den oben genannten Angaben sind das Land/die Länder zu nennen, in denen die Tätigkeit erbracht werden soll, zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten und die Angabe, ob eine Rückkehr des Beschäftigten vorgesehen ist.
2. Die Frist zur Erstellung des Nachweises wird verkürzt. Arbeitgeber treffen zukünftig gestaffelte Fristvorgaben zur Erfüllung der Nachweispflichten:
- Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen wie Name und Anschrift der Vertragsparteien, Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts sowie die vereinbarte Arbeitszeit muss spätestens am ersten Tag der Arbeit vorliegen.
- Am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses müssen unter anderem folgende Angaben schriftlich nachgewiesen werden: Beginn des Arbeitsverhältnisses, Dauer der Probezeit und einer vereinbarten Befristung, Arbeitsort, Leistungsbeschreibung und Überstundenanordnung.
- Die restlichen Angaben müssen spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses nachgewiesen sein.
- Im laufenden Arbeitsverhältnis auftretende Änderungen der wesentlichen Vertragsbedingungen müssen am Tag, an dem sie wirksam werden, dem Arbeitnehmer gegenüber schriftlich mitgeteilt werden.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, den Beschäftigten alle Angaben zusammen spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung vor Beginn der Tätigkeit auszuhändigen.
3. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen schriftlich nachzuweisen, also die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen und an die Beschäftigten auszuhändigen. Daraus folgt aber nicht, dass das Arbeitsverhältnis erst durch die schriftliche Vereinbarung zustande kommt bzw. wirksam wird. Arbeitgeber können ihren Nachweispflichten auch durch schriftliche Unterrichtung in einem separaten Dokument – neben dem Arbeitsvertrag – nachkommen, das sie den Beschäftigten aushändigen. In der Praxis ist allerdings die Aushändigung eines schriftlichen Arbeitsvertrages (auf Papier) üblich.
4. Ab dem 1. August 2022 können Verstöße gegen die Nachweispflichten sanktioniert werden. Erfüllen Arbeitgeber ihre Nachweispflichten nicht, nicht richtig, nicht rechtzeitig, unvollständig oder in der falschen Form, droht ein Bußgeld von bis zu EUR 2.000 pro Verstoß.
5. Weitere Änderungen:
- Auch das TzBfG wurde ergänzt: Eine Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss künftig im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Bei kurzen Befristungen (Befristungen von unter zwölf Monaten) wird daher zukünftig nicht mehr wie bisher eine Probezeit von sechs Monaten möglich sein.
- Zudem können Arbeitnehmer, deren befristete Arbeitsverhältnisse länger als sechs Monate bestehen, bzw. Leiharbeitnehmer, die mehr als sechs Monate an den Entleiher entliehen sind, nun ihrem Arbeitgeber bzw. dem Entleiher den Wunsch nach einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bzw. den Abschluss eines Arbeitsvertrages in Textform anzeigen. Der Arbeitgeber bzw. Entleiher hat darauf innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige in Textform und mit einer Begründung zu antworten.
- Leiharbeitnehmern muss nun außerdem vor jeder Überlassung die Firma und Anschrift des Entleihers in Textform mitgeteilt werden.
- Schließlich erhält auch die GewO Änderungen: Arbeitnehmern dürfen die Kosten für eine Fortbildung nicht auferlegt werden, wenn der Arbeitgeber durch oder aufgrund eines Gesetzes, durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verpflichtet ist, die Fortbildung anzubieten. Die Fortbildungen sollen während der Arbeitszeit stattfinden. Soweit sie außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden müssen, gelten sie als Arbeitszeit.
Things to do
- Ab dem 1. August 2022 sind diese Änderungen für alle Neuverträge zu beachten. Es besteht dringender Anpassungsbedarf: Die Vorlagen müssen überprüft und hinsichtlich der Änderungen des neuen Nachweisgesetzes entsprechend angepasst werden. Das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren dürfte beispielsweises in den meisten Arbeitsvertragsmustern/-vorlagen nicht enthalten sein. Zudem sollte aufgrund der drohenden Sanktionen die Form der bisherigen Nachweise überprüft werden.
- Auch Musterverträge für Leiharbeitnehmer und befristete Arbeitsverträge sollten im Hinblick auf Nachweispflichten und Probezeitregelungen überarbeitet werden.
- Für Altverträge gelten die neuen Nachweispflichten nur, wenn Beschäftigte eine entsprechende Dokumentation verlangen. Altverträge müssen daher nicht angepasst werden. Verlangen Beschäftigte einen aktuellen Nachweis, sind Arbeitgeber innerhalb von sieben Tagen verpflichtet, ihnen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich auszuhändigen. Hierfür sollten aktuelle Vorlagen mit den wesentlichen Vertragsbedingungen erstellt werden, um diese kurze Frist von sieben Tagen einhalten zu können.
- Internationale Unternehmen, die nur kleine Abteilungen in Deutschland haben, sollten überlegen, bestimmten Mitarbeitern vor Ort entsprechende Handlungsvollmachten zu erteilen.
Wenn Sie Fragen zu den in diesem Client Alert besprochenen Themen haben, wenden Sie sich bitte an die Mitglieder unseres Arbeitsrechtsteams.